Gedanken zum Jagdvortrag

Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 10.07.2014:

"Die Wildsau - nur noch ein Schädling?
Bayerischer Landtag: Der Schlussbericht zum Schwarzwildprojekt in Bayern zeigt, dass eine Verringerung der Bestände möglich ist, es aber vielerorts am Wissen und am Willen zur Zusammenarbeit mangelt."

Es wird über eine Botschaft von einem Herrn Niels Hahn von der Fa. WILCON Wildlife Consulting berichtet. Voraussetzung für eine erfolgreiche Sauendezimierung sei, dass alle Beteiligten vor Ort sich informieren und organisieren, regional passende Konzepte entwickeln und zusammenarbeiten. Daran würde es offensichtlich in vielen Regionen hapern mit möglicherweise ärgerlichen Folgen für alle Beteiligten.

Und dann der oberbayerische CSU-Abgeordnete Klaus Steiner:

"… Wenn das Problem nicht in den Griff zu bekommen sei, könne eine Änderung des Jagdrechts nicht mehr ausgeschlossen werden."
"Dann", so Steiner, "muss man zu Methoden greifen, die nicht mehr jagdgerecht sind, sondern Schädlingsbekämpfung."


Daraufhin hat der Unterfertigte an das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geschrieben unter dem 10.07.2014 - ohne noch zu wissen, dass er heute Abend diesen Vortrag hier halten soll - und um Vorlage des Schlussberichts zum Schwarzwildprojekt des Landwirtschaftsministeriums gebeten. Unter anderem wurde an das Ministerium geschrieben:

"Offensichtlich ist der "Schädlingsbekämpfer" Steiner ein Lobbyist der Landwirtschaft."

Sowohl der Landesjagdverband Bayern wie auch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben geantwortet. Die leitende Ministerialrätin Helene Bauer teilte mit, es sei ein Anliegen des Ministeriums, dass das Projekt sachlich diskutiert wird, deswegen übersendet sie zur Klarstellung die Präsentation des "Schlussberichtes" in der Anlage.
Der Bayerische Jagdverband lies in einer Pressemitteilung, die er mir mit Schreiben vom 21.07.2014 übersandt hat, Präsident Vocke, u. a. folgendes sagen:

"Wir freuen uns, dass sich der zuständige Ausschuss Landwirtschaft so intensiv mit dem Thema Jagd auseinandersetzt. Zukünftig muss aus unserer Sicht allerdings enger mit dem BJV zusammengearbeitet werden, um derartig einseitige, teure und nichtssagende Berichte zu vermeiden.
Zur Steigerung der Effektivität in der Schwarzwild-Bejagung werden keine weiteren teuren Untersuchungen benötigt, vielmehr muss das praktische Fachwissen der Jäger und Landwirte besser genutzt werden."


Den sowohl vom Ministerium wie vom Landesjagdverband übersandten "Schlussbericht zum Schwarzwildprojekt" habe ich durchgesehen und feststellen müssen, dass genau die Problematik, die Sie umtreibt, in diesem Bericht nicht oder nur unzureichend oder auch polemisch angesprochen wird.

Dieser Niels Hahn von der Fa. WILCON Wildlife Consulting, sollte sich zum Thema "effiziente Reduktion überhöhter Schwarzwildbestände" äußern. Genannt hat er es:

"Projekt zur Entwicklung innovativer regionaler Konzepte"

Unter der Rubrik "Zukünftige Aufgaben" führt er unter Ziffer 4. auf:

"Bewegungsjagd, bekannte Jagdmethode neu erfunden"

Natürlich kommt er auch auf die Tierseuchenproblematik und das Auftauchen der afrikanischen Schweinepest zu sprechen. Die Risikobewertung zur Einschleppung der afrikanischen Schweinepest nach Deutschland beurteilt er mit "hoch" bei
  • illegalem Verbringen und Entsorgen von kontaminiertem Material und
  • bei kontaminiertem Schweinefleisch oder daraus hergestellten Erzeugnissen entlang dem Fernstraßennetz.
Seine aus der Jagdstrecke gefolgerte Populationsexplosion ist keine besondere Erkenntnis, wenn man die Jagdstrecken in Bayern berücksichtigt im
Jagdjahr 2010/2011: 60.533 Sauen
Jagdjahr 2012/2013: 65.718 Sauen

Konkreter wird es dann schon bei den von Niels Hahn aufgeführten Ursachen für die Populationsexplosion, von denen besonders auf folgende Punkte hingewiesen wird:
  • Klimaänderung, steigende Wintertemparaturen
  • Vielseitiges Nahrungsspektrum (Waldmast, landwirtschaftliche Produktion, keine natürlichen Nahrungsengpässe)
  • Rückzugsräume (Sturmwurfflächen, Waldumbau, Maisanbau)
  • Defizite bei der Jagd, Bachenschonung, Bejagungsintensität
  • Unsachgemäße Kirrung
  • Fehlende Beutegreifer (Wolf, Bär, Luchs u. a.)
(vgl. S. 15 des Schlussberichts)

Auf der S. 17 seines Berichts kommt Niels Hahn bei der Frage nach einer Trendwende zu der Aussage:

Nicht die Wildschweine sind das Problem, sondern
  • Uneinheitliche Zielvorstellungen
  • "Ich will viele Sauen in meinem gepachteten Revier erlegen"
  • Mangelhafte Kommunikation
  • Fehlendes Wissen
  • "Fehlt die Leitbache, werden Frischlinge unkontrolliert rauschig!"
  • Hausgemachter Egoismus
  • "Wenn Du meine Rehe schießt, jage ich nicht mit auf Sauen!"
  • Gegenseitige Schuldzuweisung
(vgl. S. 17 des Schlussberichts)

Immerhin räumt der Verfasser des Schlussberichts ein, dass das Projekt "Brennpunkt Schwarzwild" auf eine Initiative des Bauernverbandes zurückgeht, dass aber die Mittel in Höhe von 365.000,00 € aus der Jagdabgabe bezahlt wurden, also von uns Jägern. Insofern ist die Verärgerung des Bayerischen Landesjagdverbands nachvollziehbar, der von einem einseitigen, teuren und nichtsagenden Bericht spricht.

Auch hat der Berichtersteller Recht, wenn er von mangelnder Kommunikation und Zusammenarbeit, insbesondere "auf Augenhöhe" spricht und neue konstruktive Formen, transparente Formen, flexible Formen, dauerhafte Formen der Kommunikation, fordert (S. 22 des Berichts). Das gilt gerade gegenüber den Staatsforsten.

Schließlich kommt der Berichterstatter auf der S. 32 seines "Schlussberichts" auf das

"Pottensteiner Bewegungsjagdmodell"

zu sprechen und lobt es natürlich wegen erfolgreicher Jagdstrecke, zurückgegangener Wildschäden, zufriedener Jagdgenossen und "Jäger". Dieses "Pottensteiner Bewegungsjagdmodell" werde 2014 zum dritten Mal durchgeführt.

Aus den auf S. 33 aufgelisteten Eckpunkten für das "Pottensteiner Bewegungsjagdmodell" möchte ich zwei Punkte deutlich herausstellen, die zu erheblichem Widerspruch und Streit führen werden:
  • Freigabe allen Schwarzwildes; Rehwild und Raubwild regelt jeder Jagdleiter für sein Revier
  • Reviergrenzenüberschreitender Hunde-, Hundeführer- und Treibereinsatz
Damit sind wir - neben vielen anderen Punkten, die es zu besprechen gäbe - beim eigentlichen Thema des heutigen Abends angelangt. Es gibt hier einen großen, im Eigentum der Bayerischen Staatsforsten stehenden, Waldkomplex, um den herum Gemeinschaftsjagdreviere, aber auch Eigenjagden, liegen. Die bisherige Konzeption der revierübergreifenden Bewegungsjagden hatte zum Inhalt:

Mit großen Hundemeuten, Hundeführern und Treibern wird flächig ein Teil des Staatswaldes und das oder die angrenzenden Privatjagdreviere abgejagt. Dabei werden Damwild, Rehwild und Sauen hochgemacht. Das Wild flüchtet natürlich selten aufs feie Feld, sondern in die Tiefe des Waldes, wo die von den Staatsforsten abgesetzten Profis sukzessive niedermachen, was daherkommt. Das heißt, dass am Schluss auf der Strecke zahlreiche Rehe liegen, etliche Stücke Damwild und auch ein paar Sauen. Dieser Umstand ist Fakt und nur mit harten Bandagen zu bekämpfen:

Grundsätzlich stellt das Überjagen durch Hunde und Treiber ins eigene, an die Staatsjagden angrenzende, Revier eine objektive Verletzung des absoluten Jagdrechts und Pachtrechts dar. Wenn damit kein Einverständnis besteht, kann gegen die Verletzung des Jagdrechts auf Unterlassung geklagt werden. Teilweise wurde dies in der Vergangenheit schon durchgeführt.

Natürlich versuchen die Staatsforsten einen vermittelnden Weg zu gehen, indem sie bei der ersten Jagd noch einverstanden sind, dass nur auf Schwarzwild gejagt wird, bei der zweiten oder gar bei der dritten Jagd, die schon in den Januar hineinfällt, werden solche Rücksichten nicht mehr genommen, so dass ausgerechnet in der Notzeit und oft bei Schnee hart in die Rehwild- und Damwildbestände eingegriffen wird und viele hoch beschlagene Geißen, aber auch Böcke zur Strecke kommen.

Wenn wir uns erinnern, wie die Jagd noch bis in die 80er Jahre auf Schwarzwild ausgeübt wurde durch Ausneuen, Saualarm, Umstellung von Dickungen, durchtreiben der Dickungen und Erlegung der Sauen, dann ist dies mit den heutigen Methoden nicht mehr zu vergleichen. Die Förster haben damals auch rehreine Wachtelhunde geführt, die, wenn sie ein Reh anhetzten, vom Reh abgepfiffen werden konnten oder durch Zuruf "Pfui Reh!". Dem gegenüber ist es heute üblich, dass neben der professionellen Hundemeute jeder Jagdgast sein Zamperl laufen lässt, das mehr oder weniger talentiert Rehwild hetzt, bis es endlich einem Schützen vor die Knarre kommt.

Dass bei diesem System die Leidtragenden die an den Staatswald angrenzenden Eigenjagdreviere und Gemeinschaftsjagdreviere sind, bedarf keiner großen Ausführungen. Wenn der Rehwildbestand im Rahmen von drei Jagden herunterminimiert wird auf ein bis zwei Stück Rehwild pro 100 ha, dann kann der Jagdpächter viel Zeit verbringen und sich lange die Augen ausschauen, bis er beim Sommeransitz einen Rehbock sieht.
Umgekehrt haben die Staatlichen keine Lust und angeblich auch kein Geld dafür, dass sie den Beamten den Zeitaufwand vergüten, der anfallen würde beim Rehwildansitz. Es muss alles ganz schnell, gründlich und ohne großen Zeitaufwand passieren, am besten durch flächendeckende Drückjagden, im Rahmen derer das Rehwild zusammengeschossen wird. Hier prallen die Interessen aufeinander, die Herr Niels Hahn nicht anspricht, allenfalls mit der für die Jagdpächter das Problem verdrängenden Aussage:

"Rehwild und Raubwild regelt jeder Jagdleiter für sein Revier."

Dass "Reviergrenzenüberschreitender Hunde-, Hundeführer- und Treibereinsatz" immer zulasten der außen liegenden Pachtreviere gehen muss, wird in dem "Schlussbericht" nicht angesprochen.

Die jetzige Rechtslage, die Sie interessiert, ist die, dass Sie überjagende Hunde und überjagende Treiber untersagen und verbieten dürfen im Rahmen eines Ihnen als Jagdpächter zustehenden Unterlassungsanspruchs gegen die Ihr Jagdrecht beeinträchtigenden Maßnahmen.
Dieser Anspruch kann gerichtlich durchgesetzt werden. Bislang hat noch kein Jagdpächter im hiesigen Raum auf einem Urteil bestanden, obwohl eine Klage eingereicht und andere Klagen angedroht wurden. Wir, als konziliante und kommunikationsinteressierte Revierpächter, wollen es uns natürlich nicht endgültig mit den Jagdnachbarn verderben.

Die Staatsforsten ihrerseits drohen mit völliger Einstellung von Drückjagden, was einerseits zu einer weiteren Explosion der Schwarzwildbestände führen würde oder, wie es der Bauernverband zu Lasten der Jäger betreibt, zu einer Änderung des Jagdrechts, so dass unter Umständen die Teilnahme an revierübergreifenden Jagden gesetzlich erzwungen werden würde. Mit diesen Maßnahmen muss man rechnen. Ich bin überzeugt, dass die Diskussion des "Pottensteiner Modells" im Schlussbericht zum Schwarzwildprojekt hinter den Kulissen bereits erhebliche Aktivitäten entfaltet hat, die auf eine gesetzliche Änderung hinwirken sollen.
Andererseits unterliegt auch der Forst der gesetzlichen Verpflichtung, nur einen der Landeskultur angemessenen Sauenbestand zu dulden.

Eine wirkliche Lösung sehe ich derzeit darin, dass sich die Gemeinschaftsjagdreviere und Pächter an revierübergreifenden Jagden unter der Prämisse beteiligen, dass
    a) nur und ausschließlich Schwarzwild und Raubwild gejagt wird,
    b) dass gemeinsam Strecke gelegt wird und
    c) dass ggf. - soweit ein Bedürfnis besteht - die Schwarzwildstrecke quotenmäßig oder anteilmäßig über den beteiligten Revieren aufgeteilt wird.
Die Bayerischen Staatsforsten in Regensburg betreiben ihre Art der Jagd ja nicht nur hier im ...... Forst. Es gibt Berichte über ähnliche Interessenkonflikte in allen Bereichen Bayerns und auch Deutschlands.

II.

Wenn Sie zielgerichtet eine Bejagung des Rehwilds und Damwilds durch Überjagen von Hunden und Treibern in Ihrem Revier unterbinden wollen, müssen Sie wie folgt vorgehen:

Augsburg, den 06.08.2014
Thomas Kroder
Rechtsanwalt

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